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Änderung der Transkripte: ΤΓ > ΤΤ

ΚΡΑΒΑ Τ Γ ΟΣ  ► ΚΡΑΒΑ Τ Τ ΟΣ

Änderung der Transkripte des Markusevangeliums für die Editio Critica Maior (ECM) aufgrund paläographischer Untersuchungen zu dem Wort κραβαττος.

 

Eines der schwierigsten Wörter sowohl für die frühen Kopisten als auch für die heutigen Transkribenten ist das Wort κραβαττος ("das Bett"), das in den neutestamentlichen Berichten von der Heilung gelähmter Menschen mehrfach verwendet wird (insgesamt 12x: Mk 2:4. 9. 11. 12; 6:55; Joh 5:8-11. 12v.l.; Act 5:15; 9:33).

Κραβαττος, so die lexikalischen Form, erscheint in den Handschriften (des Markusevangeliums) auf sehr unterschiedliche Weise und weist in den Transkripten eine ungewöhnlich hohe Fehlerquote auf; es findet sich kaum ein Transkript, dass den Text der Vorlage korrekt kopiert - auch nicht bei Transkribenten mit langjähriger Erfahrung. Dies liegt sicherlich nicht zuletzt in der Lesegewohnheit begründet, bei der das Auge hauptsächlich die ersten und die letzen Buchstaben eines Wortes erfasst, die dazwischen liegenden Buchstaben nur oberflächlich aufnimmt und aus der Erinnerung ergänzt bzw. beim Kollationieren dem vorgegebenen Basistext anpasst.

Zu den Orthographica gehören die Vertauschung der doppelt bzw. einfach gesetzten Konsonanten β und τ:

a. κραββατος 

b. κραβατος

c. κραββαττος

sowie die Lesart

d. κραβακτος (und das Neutrum το κραβακτον).

Als Fehlerlesarten sind zu werten:

a. κραμβατος

b. γραβαττος

c. κραβαντος

d. κραββαντος

e. κραβανττος

f. κρεβαττος

g. κρεβαντος

h. κραβαγτος

die sich jedoch z.T. erklären lassen: 

a. verschreibt das erste β durch μ, verursacht durch das vergleichbare Erscheinungsbild in der Minuskelschrift (wobei allerdings das Beta nicht nach links verbunden wird). Dies begegnet z.B. auch bei dem Wort ραββι/ραμβι (vgl. V. Gardthausen, Griechische Palaeographie, 2. Aufl., Leipzig 1978, II 213 f). (Link zu 1. Aufl.).

b. ähnelt der lateinischen Form grabatus. 

c.-e. verschreiben ττ durch ντ, vielleicht aus lautmalerischen Gründen.      

f.-g. Vokalvertauschung α/ε. Hierfür gibt es allerdings lediglich zwei Zeugen (GA 032 und 13; vgl. auch 872*), die allerdings nur in 6:55 κρεβαττος bzw. κρεβαντος schreiben, in der Geschichte der Heilung des Gelähmten in Kapharnaum (2:4. 9. 11. 12) jedoch übereinstimmend die korrekte Form κραβαττος bezeugen. Dies deutet auf ein Versehen hin.

h. Mit dieser Lesart begegnet eine Wortform, die - wenn sie nicht ähnlich wie c.-e. auf lautmalerische Gründe zurückgeht - eine Fehlerlesart ist, die ihren Urspung in einer paläographischen Besonderheit hat, die offenbar vom Schreiber nicht (mehr) erkannt wurde: Die Schreibung des Doppelkonsonanten ττ in der Minuskelschrift (s.u.).

Am weitesten verbreitet waren die Lesarten κραβαττος und κραββατος. Auffällig ist, dass die Schreibweise auch innerhalb einer Handschrift variieren kann, die Schreiber also an den verschiedenen Stellen unterschiedliche Wortformen genutzt haben, wie beispielsweise:

GA Mk 2:4 Mk 2:9 Mk 2:11 Mk 2:12 Mk 6:55
1216 κραββατον κραβαττον κραβαττον κραβαττον κραββατον
1579 κραβατον κραβαττον κραβαττον κραβαττον κραββατον
 

 

Insgesamt kann aber beobachtet werden, dass häufig bei textlicher Nähe (2:4-12) die gleiche Schreibweise verwendet wurde, an der späteren Stelle dagegen (6:55) eine andere.

Eine Besonderheit stellt in diesem Zusammenhang die Schreibweise des doppelten Tau (ττ) dar, die in den Handschiften oftmals wie eine Verbindung von Tau und Gamma  (τγ) erscheint und daher in den Transkripten - fälschlicherweise - bisher auch als solche transkribiert wurde (z.B. κραβατγον).

Hinter dieser Ligatur steht das Bestreben der Minuskelschrift, Buchstaben ohne Aufheben des Stiftes in einer Linie zu schreiben und die waagerechten und senkrechten Striche miteinander zu verbinden. Dies führte sowohl für das Gamma als auch für das Tau zu ähnlich erscheinenden offenen Formen: ⋎. Beide Buchstaben konnten nach rechts mit dem folgenden Buchstaben verbunden werden, so dass es zu einem nicht mehr unterscheidbaren Erscheingungsbild kam:

1243, Mk 6,55, Z.15   (κραβατ-τοις)

und ebd. 7,4, Z.27   (αγο-ρας).

Diese offene Form des Tau war vor allem in der frühen Kursive gebräuchlich. In den Handschriften wird sie jedoch nicht mehr für ein allein stehendes Tau verwendet; sie findet sich nur noch in den Ligaturen für das doppelte Tau (ττ = τγ) (vgl. Gardthausen [s.o.] ΙΙ 202. 215).

Ein Vergleich aller Schreibweisen dieses Wortes an den fünf Stellen im Markusevangelium zeigt, dass die Majuskelform ττ sowie die kursive Schreibweise in der Ligatur τγ unterschiedslos verwendet wurden:

GA 2,4 2,9 2,11 2,12 6,55

23

ττ τγ ττ ττ ττ
351 τγ τγ τγ τγ ττ
788 τγ τγ τγ τγ ττ
826 τγ τγ τγ τγ ττ
863 ττ ττ τγ ττ ττ
1029 ττ ττ τγ τγ ττ
1216 ττ τγ τγ τγ ττ
1243 τ τ τγ τγ τγ
1579 τ τγ τγ τγ τ
1675 τγ τγ τγ τ / ττ τ
2193 τγ τγ τγ τγ ττ
2411 ττ ττ ττ τγ τ

 

Dass die Schreibung τγ die offene Darstellungsform des ττ ist und nicht als Tau-Gamma gelesen werden darf, zeigt sich vor allem bei Worttrennungen zwischen diesen beiden Buchstaben, wie sie z.B. GA 261 bei Mk 2:4; GA 495. 543. 826 bei Mk 6:55 und GA 892 bei Mk 2:11 vorkommen: An (fast) allen genannten Stellen im Markusevangelium verwendet der jeweilige Schreiber die Ligatur in Form von τγ, nur an der Stelle der Worttrennung schreibt er: κραβατ-τον. Er versteht also die Ligatur korrekt, wohingegen in GA 124 an der ersten Selle Tau - Gamma getrennt und im weiteren Verlauf der Schrift einheitlich τγ verwendet wird; hier scheint der Schreiber das Wort κραβατγον gelesen zu haben, wohl in Unkenntnis dieses paläographischen Phänomens.

Die Verwendung der Ligatur für das doppelte Tau kommt neben κραβαττον auch in anderen Worten des Markusevangeliums vor:

GA 472: 7:37 εκπληττοντο

GA 863: 7:36 εκηρυττον

GA 1542: 1:22 εκπληττοντο

GA 2738: 1:27 επιταττω; 1:30 πυρεττουσα

Wir haben uns entschieden, die Ligatur des doppelten Tau in den Minuskeln - die ja vergleichbar ist mit der offenen Form des doppelten Sigma - auch als ττ zu transkribieren und nicht mehr - wie bisher - als Fehlerlesart τγ.

Die entsprechenden Korrekturen der im NT.VMR publizierten Transkripte des Markusevangeliums für die ECM wurden bereits abgeschlossen, für die übrigen Transkripte - besonders der Apostelgeschichte (ECM Bd. III) - wird sie folgen. 

 

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